Maerchenreise 04

Erst die buerokratische Odyssee durch Botschaften fuer allfaellige Visa - dann der praktische Test: Mit dem Auto 2 Monate lang von Oesterreich ins Donnerdrachenreich Bhutan. Unvorstellbare Eindruecke, komische Zwischenfaelle und Gastfreundlichkeit allueberall...

Tuesday, May 02, 2006

Von Belutschistan zum Karakoram Highway

April 04

Assalam Aleykum,

es gibt schon wieder so schöne dinge zu berichten, ich bin völlig gefangen genommen von der liebenswürdigkeit und gastfreundschaft der menschen hier, ich wieder hole mich wahrscheinlich grade zum x-ten mal, aber so viel großmut kann ich nicht oft genug erwähnen, v.a. auch weil ich glaube, dass in österreich/europa ein ziemlich schlechtes bild dieser länder und menschen gezeichnet wird..
Am Vormittag in quetta wurden wir von rehmat-ullahs (grenzzöllner) freund durch den bazaar geführt und rund um verwöhnt, wir durften nichts selbst kaufen, der bruder des „guides“, besitzer eines schmuck und antiquitätengeschäfts lud zum essen – köstlichen süßen reis mit getrockneten früchten, dazu gemüsecurry und hühnchen – und beschenkte uns mit seinen waren. Von kaufen keine rede. Im bazaar wagte ich am schluss kaum mehr, länger in eine richtung zu blicken, den das begutachtete objekt wurde sofort bezahlt und mit als geschenk überreicht.

Wir ließen 300$ wechseln und hatten nun wirklich kein mulmiges gefühl mehr im magen, als der beauftragte während wir aßen damit verschwand und uns nach 15min pakistanische rupien dafür brachte. In der muslimischen gesellschaft würde ein vertrauensmissbrauch zum gesichtsverlust vor der gesellschaft und allah führen, das wollen sie sich nicht antun. Bishere waren wir ausnahmslos von absolut ehrlichen leuten umgeben.

In einem webcafe mussten wir nach 1h plage mit langsamer leitung und trotz erledigung aller sachen nichts bezahlen, ohne beschwerde, nur weil der besitzer bemerkt hatte, dass wir lange „ruhepausen“ hatten.
Bezahlt haben wir natürlich trotzdem.

In loralai war ein regierungsgästehaus für uns zum übernachten reserviert, vermutlich das beste zimmer der stadt, am nächsten tag ein Mittagessen in rakhni beim straßenbauexperten, der die arbeiten in ostbelutschistan beaufsichtigt, alles natürlich one eine rupie zu verlangen oder anzunehmen, wir mussten fast darum kämpfen, wenigstens eine österreichische süßigkeiten als dankeschön dortlassen zu dürfen. „You are our guests and our brother and sister, we will do all for you, no need to say thank you“

Auf den kargen sandböden ostbelutschistans wetteifern orangebühende Bäume und gelbe, violette und weiße frühlingsblumen um die wenigen tropfen wasser im boden und die grellen strahlen der sonne.
Das eben zu garben gebündelte stroh steht kreisförmig aufgestellt zum trocknen auf den feldern, an anderen plätzen stehen die bunten patchwork-nomadenzelte, rundherum tummeln sich eseln, kamele, ziegen (eine ganz witzige rasse mit besonders langen ohren, an denen die hirtenjungen sie „führen“) schafe und natürlich die hübschen, dunkelhäutigen nomadinnen in ihren farbenprächtigen kleidern und umhängen.

Wenn man allerdings zu lange zum fenster raus staunt, erinnert einen einer der vielen „speedbreaker“ (geschwindigkeits“brecher“, 10 cm hohe halbzylinderförmige erhebungen quer über die straße) an die fehlende konzentration. Es klingt tatsächlich, als ob etwas brechen würde, wenn man nicht früh genug bremst sondern im ralley stil drüber springt.
Ich habe die vermutung, dass darunter die beim bau verunglückten straßenarbeiter begraben wurden, um wie bei der chinesischen mauer mit dem einsatz ihrer seele für die beständigkeit des bauwerks zu garantieren….

Am ostersonntag werden wir zum tee bei einem checkpost eingeladen, „zufällig“ vertreiben sich die militärs ihre freizeit mit jungen kücken, die sie uns zu unserer freude auf den schoß und kopf setzen. Ein richtiges osterfrühstück.

Am Nachmittag sehen wir ein eindrucksvolles beispiel pakistanischer logik und arbeitsmoral: auf einer passstraße kommt der ohnehin langsame verkehr ins stocken, grund dafür ist ein riesen felsbrocken, der mitten auf der einspurigen fahrbahn liegt und diese unpassierbar macht. Die straße wird gerade ausgebessert, es laufen also genug arbeiter rum, die das problem beheben werden… in meiner naiven europäischen vorstellung

10 arbeiter sitzen rum und schauen, die lieblingsbeschäftigung der pakistani, v.a. im panjab bezirk. (sogar an den entlegensten wegen sitzt plötzlich einer und schaut, oder passt auf, dass die straße nicht wegläuft, hier gibt es nicht das prinzip – mehr geld für mehr arbeit, straßenarbeiter bekommen 1,5 € täglich, egal ob sie in der brütenden hitze schuften oder im schatten glotzen..)
2 arbeiter winken vonbeiden seiten die wartenden fahrzeuge heran, bis sie sich – von dem riesen stein getrennt – auf der einspurigen straße gegenüberstehen.
Nach 10 min ist geklärt, dass es so nicht funktionieren kann, kommando zurück (dauert natürlich etwas länger, da in beide richtungen die nachfolgenden fahrzeuge aufgerückt hatten)
Nun rollte ein raupenbagger heran, der nach 8maligem reversieren und 3 maligem zuschütten des weges endlich schaffte, das ganze geröll mit großem gepolter den hang runter zu werfen. Wieder wurden von beiden seiten alle fahrzeuge heran gewunken, bis sie sich schnauze an schnauze auf der einspurigen straße gegenüberstanden……
wir konnten nur mehr schmunzeln…

Zum glück war es kühler oben am pass, unten in der ebene bemerkten wir, dass unsere klimaanlage wieder keine kühlflüssigkeit beinhaltete. Aber in pakistan gibt’s hyundai, also alles kein problem. Wir könen nur hoffen, dass dort schneller gearbeitet wird.

Sonst fährt der starex ganz brav, alle teile halten bombenfest, martin hat auch schon die haltbarkeit der seitengummischutzleiste im nahkampf erprobt und dem gegnerischen minibus fast den heckschutz vom leib gerissen. Passiert ist weiter nichts, die businsassen hatten wenigstens einen guten grund zum glotzen…

Wir kommen schnell vorwärts und fahren auch nachts, was lonley planet (DER Reiseführer) strengstens verboten hat. Dafür sehen wir (manchmal erst kurz vorm zusammenstoss) was sich alles auf pakistans finsteren strassen rumtreibt: scheppernde eselkarren, kamelkarawanen, hupende und blinkende bunte lkws (die schönsten überhaupt, mit dröhnenden hupen, klirrenden metallringen und platten als verzierung, bemalungen und glänzenden beschlägen) pferdekutschen, überladene pickup-taxis, alte bedford-busse, mähdrescher (!), radfahrer, autos, tratschende fußgänger, traktoren, meckernde ziegenherden, knatternde motorräder, bellende hunde – der grossteil davon natürlich unbeleuchtet…

Wir übernachten an einer tankstelle, wo wir die ersten überlandreisenden treffen, sie sind am weg von indien nach slowenien.
Am weg zum „bad“ kommt mir ein freudestrahlender pakistani entgegen und erklärt mir nasebohrend „i love you“. Während er seinen finger noch tiefer in der nase versteckt, erklärt er mir „i want to impress you“ - vermutlich mit dem größten popel, der in den höhlen seines riechorgans versteckt war. So ein geschenk hab ich mir schon immer gewünscht. Ich muss mir ein grinsen verkneifen. Als gelernter gentleman versuchte er nach meiner beteuerung, dass ich leider nicht frei sei, nicht, mich irgendwie zu belästigen.
Es war zwar nicht sonderlich gustiös, aber immer noch besser als gewisse anmachen anderswo. Der arme kerl hat schließlich keine ahnung, dass große nasenmänner auf europäische frauen keine starke anziehungskraft haben…

Über islamabad und die gebirgsstadt murree, welche die hitzeunbeständigen briten während der kollonialzeit als sommerverwaltungssitz hoch in die kühlen berge pflanzten erreichten wir endlich den karakoram highway.
Eine dusche wurde nötig, wir suchten also ein hotelzimmer. Der besitzer versprach warmes wasser, frühstück, TV, telefon und internet für 700 rupien (10€), das zimmer war groß – herz was willst du mehr?
Nach einigen minuten mussten wir feststellen, dass das warme wasser ziemlich kalt war und nicht aus den 3 vorhandenen hähnen floss, sondern nach dreimaliger aufforderung im küberl serviert wurde. Das internet funktionierte nicht („i know it is inside the computer“ zu dem allerdings nicht mal ein kabel führte…), ebenso das telefon und der fernseher – der eigentlich ein pc-bildschirm war, ebenfalls ohne stecker. Vermutlich hat niemand erklärt, dass diese geräte nicht nur aufgestellt werden müssen, sondern auch angesteckt,
um fünf uhr morgens weckte uns ein schwarm krähen mit lieblichem gekrächze aus dem schlaf, das frühstück wurde bei der rechnung plötzlich extra berechnet, ebenso das wasser. Nun war die geduld zu ende. Für österreichische verhältnisse darf manfür 10 € nicht sehr viel erwarten, stimmt, aber hier gibt’s funktionierende unterkünfte für 4€. wir versuchten also, uns nicht großartig zu beschweren, erwarteten aber einen preisnachlass.
Der kassier zeigte sich nicht kooperativ, die diskussion wurde lauter, bis ein älterer pakistani hinzukam.
Er schämte sich sichtlich für seinen landsmann und bedrängte diesen solange, bis wir schließlich gar nichts bezahlen mussten. Er warf uns bei der abfahrt die hinterlassenen 5€ durchs autofenster.

Der weitere weg am karakoram highway ist atemberaubend. Tiefe schluchten, schlängelnde bäche, wasserfälle, seilbahnen über die täler zu den vom verkehr abgeschnittenen dörfern am anderen ufer, frühlingsgeruch mischt sich mit frischer bergluft, die straße ist besser als erwartet, die arbeiten dafür waren offensichtlich nicht sehr gefährlich, den die toten arbeiter unterm asphalt werden bedeutend weniger.
Ein gelungenes gemeinschaftsprojekt der pakistanis und chinesen an der alten seidenstraße, welches von 1966-77 gedauert hatte.

Viele kleine dörfer sind an der straße, ab takhot begleitet uns der indus, dem wir ab dort 340 km entgegenfuhren.
An der ersten brücke nehmen wir einen anhalter mit, wieder ein paschtune, und wir enden in seinem haus incl. Einladung zum tee, abendessen, übernachtung und frühstück.
Hier erfuhr ich zum ersten mal die trennung der geschlechter am eigenen leib. Unser gastgeber war zwar ein relativ liberaler sunnite, der sein töchter zur schule schickt und weiterer ausbildung nichts in den weg stellt, brachte mich aber bald zu den frauen, die im hof und kinderzimmer weilten. Die männer diskutierten im wohnzimmer. Die frauen sprachen kein englisch, aber wir verstanden uns trotzdem recht gut. Der herr des hauses kam sogar zwei mal vorbei und übersetzte anfallende fragen in beide richtungen, obwohl ich die ahnung hatte, dass er einiges zensurierte.
Der sohn, der sehr gutes englisch sprach war öfter dabei, denn kinder sind im frauenbereich erlaubt, männer auch manchmal, aber umgekehrt dürfen erwachsene weibliche personen keinesfalls in die bereiche der männer eindringen. Sie servieren den tee und das essen vor die tür und entfernen sich. Erst dann öffnet ein sohn die tür und holt das essen ins zimmer.

Der sohn war sehr interessiert. Er betrachtete meine familienfotos genau, die meist szenen von geburtstagen zeigten. Frauen und männer gemixt, alkohol am tisch und sogar rauchende frauen. Ob den frauen nichts passiert, fragte er und ob sie die männer nicht stören bei ihren diskussionen? Das prinzip des gegenseitige vertrauens war nur schwer verständlich für ihn. Wie es denn sein kann, dass eine frau mit einem fremden mann spricht oder umgekehrt, ohne dass dabei schmutzige gedanken und besitzansprüche aufkommen? Einfach darauf zu vertrauen und die an die liebe zu glauben schien ihm sehr unsicher. Auch die möglichkeit, sich später für jemand anderen zu entscheiden hielt er für absurd. Besser, doch die geschlechter ausserhalb der eigenen 4 wände zu trennen um solch unmuslimischen ideen vorzubeugen.

Als ich ihnen die fotos zeigte, wurden die mädels aus dem zimmer gedrängt. Das ginge sie nichts an, war die allgemeine meinung der jungs.

Später holte mich unser gastgeber, um ihnen gesellschaft zu leisten, freunde von ihm waren vorbei gekommen und er bemühte sich sichtlich, liberal und überlegen zu wirken (immerhin war er einer der mitorganisatoren der neuen volksschule – die von der eu 2000 € bekommt, welche 2/3 des jahresbudgets ausmachen – in der die schuluniform für mädchen gratis ist, als ansporn für die eltern, ihren töchtern bildung zukommen zu lassen.
Er forderte mich mehrmals auf, auch meine meinung kund zu tun, meist brachte ich aber nicht mehr als 3 sätze hervor, bis ich wieder von einem gast unterbrochen wurde. Sie waren offenbar nicht an konversation mit frauen gewöhnt.
Ich freute mich sehr über diese erfahrung, da ich so selbst erleben konnte, wie es den musliminnen ergeht, obwohl es während dem gespräch oft ziemlich nervig war, total ignoriert zu werden.

Am morgen besuchten wir noch die vorher angesprochene volksschule und zogen weiter.
Ein dorf später stand wieder ein autostopper, sergej ist amerikaner, der eigentlich aus russland kam und nach dem zerfall der sowjetunion die erste chance auf einen reisepass ergriff, ein visum für die usa beantragte und dort bleib. Er arbeitete eine zeitlang als pflegehelfer und konnte endlich seiner unterdrückten leidenschaft, dem reisen nachgehen.
Auf die frage, was er am meiste von russland vermisse, antwortete er: „die bücher, die gedichte, der intellektuelle anspruch. Amerikaner lesen nicht viel, diskutieren nur an der oberfläche und haben wenig eigene kultur.“
Aber er kann auch gutes berichten: „ich war sehr schnell integriert, als kaukasier ist man schwarzen gegenüber sehr im vorteil und in amerika gibt es noch richtige abenteuer reisen. Jeder kann drauf los fahren, ich konnte unterwegs tagesjobs annehmen um die weiterfahrt zu finanzieren.“
Es tat gut, auch mal etwas positives über amerika zu hören, meine eigene meinung ist manchmal ziemlich einseitig belastet.
Über ansichten der amerikanischen regierung äußert er sich ebenfalls sehr kritisch. Zb: „You know, mr bush is not very intelligent, he could maybe run a petrol station or a shop – but definitly not a country. And the people who ‘help’ him have all military background“ - das alte lied, auf den rest des gespräches brauch ich wohl nicht näher eingehen.

Sergej wollte zufällig ebenfalls nach gilgit, wir sahen also zu dritt zum ersten mal die 2000 Jahre alten Steingravierungen, die Petroglyphen der alten buddhistischen Reisenden in Chilas und den den nanga parbat (8150m), dem sogenannten killermountain, der fast eine ganze generation deutscher bergsteiger auslöschte, bis herman buhl ihn endlich in seinem spektakulären alleingang bezwingen konnte.

Martin fühlte sich wieder zu hause. Man spürt die leidenschaft und sieht sie in seinen augen funkeln. Dies sind die berge und geschichten, mit denen er als sohn eines begnadeten und bekannten bergsteigers aufwuchs. Sein vater, wäre er nicht vater zweier kinder und ehemann gewesen, hätte sicher nicht die einladung, bei dieser nanga parbat expedition mit dem team um hermann buhl mit zu kommen, ausgeschlagen.

Zu allem überfluss ist sahid-hasan, den rehmat-ullah (der vom grenzzollamt) in gilgit kontaktiert hatte, damit er uns informiert und ein hotel besorgt, der sohn des verbindungsoffizieres, der bei dieser expedition dabei war. Die bekannten gesichter in den alten erinnerungsalben und büchern von sahid-hasans vater nahmen martin für den heutigen Nachmittag gefangen.
Ich durfte dafür seinen kleine sohn besuchen und die frauen im anderen teil des hauses. Eine erklärte mit in gebrochenen englisch, dass sie 7 jahre unterrichtet hatte, auch englisch, aber ihr mann hat ihr nach ihrer heirat ‚nahe gelegt’ zu hause zu bleiben. „ i forget all!“ sagte sie und wünschte sich briefkontakt, damit sie ihr vokabular wieder auffrischen und ein bisschen vom geschehen im westen erfahren könnte. Sahid hasan gab mir die adresse, sie holte mich zurück, schenkte mir einen umhang und ein freunschaftsband und flüsterte mir zu: „schreib an diese adresse, bei der anderen wird er es zuerst lesen!“ und zeigte mir eine neue anschrift.

Sahid hasan bemerkte das und behauptete, die neue adresse sei nicht gut, aber ich weiß, wo ich hinschreiben werde…

Morgen werden wir aufbrechen und endlich trekken gehen, zur märchenwiese am nanga parbat und zu dessen base camp. Ich freu mich schon riesig auf bewegug nach 11000 km fahrt!!

Alles liebe und bis bald

bei yahoo gibt's wieder pics, password falls du gefragt wirst ist: acchigom

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